Ledaig 17 Jahre 2006/2024 - Gordon & MacPhail

Riechen
Bereits beim ersten Nosing offenbart sich die Persönlichkeit dieses Ledaig. Eine wahre Sherry-Bombe explodiert im Glas, doch dahinter lauert etwas Unerwartetes: ein deutlicher Schwefelton, der sofort an alte Zündholzköpfe erinnert. Dazu gesellen sich überreife Pflaumen, die bereits ihre beste Zeit hinter sich haben, gefolgt von Aromen, die an altes Leder und einen feuchten Komposthaufen erinnern.
Das klingt zunächst abschreckend, und ehrlich gesagt ist es das auch. Dieser Whisky riecht "dreckig" und "gammelig" – Begriffe, die normalerweise nicht positiv konnotiert sind. Doch genau hier liegt die Faszination: Zwischen all diesen erdigen, fast widerlichen Noten blitzen Anklänge von frischen Erdbeeren auf, und ein ganz dezenter Rauch schmiegt sich wie ein Lagerfeuer-Charakter an die Komposition.

Schmecken
Am Gaumen setzt sich das polarisierende Profil fort. Sauerkirschen dominieren den Antrunk, begleitet von einer mineralischen, erdigen Grundnote, die an nasse Erde nach einem Regenguss erinnert. Der Schwefel ist auch hier präsent, allerdings dezenter als in der Nase. Eine interessante Süß-Sauer-Dynamik entwickelt sich, unterstützt von Zitrusanklängen, die an rosa Grapefruit erinnern.
Besonders faszinierend ist die Treibholz-Note, die sich am Mittelgaumen ausbreitet. Sie verleiht dem Whisky eine maritime Tiefe, die perfekt zur Herkunft von der Isle of Mull passt.
Abgang
Der Abgang überrascht mit seiner Länge und unerwarteten Süße. Hier zeigt sich die 17-jährige Reifung von ihrer besten Seite: Mokka-Aromen verschmelzen mit kräftigen Eichen-Noten, während der Rauch nur noch dezent im Hintergrund mitschwingt. Das Alter hat dem ursprünglich wahrscheinlich rauchigeren Charakter die Schärfe genommen und ihn zu einem komplexen, warmen Finale geformt.
Gedanken
Der Ledaig 17 Jahre 2006/2024 von Gordon & MacPhail ist ein außergewöhnlicher Whisky, der definitiv nicht für jeden geeignet ist. Er ist ein Statement für alle, die Whiskys mit Ecken und Kanten lieben und keine Angst vor unkonventionellen Aromen haben. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem faszinierend komplexen, unvergesslichen Trinkerlebnis belohnt.
Dieser Single Malt ist schwer wie ein Atlasstein. Die "dreckigen" Ledaig-Noten sind hier auf 11 von 10 aufgedreht, kombiniert mit einer Sherry-Bombe und leichtem Rauch, der durch das Alter gezähmt wurde. Es ist ein Whisky, der seine industrielle Herkunft feiert und dabei zeigt, dass nicht alles gefällig und glatt sein muss, um faszinierend zu sein.
Bewertung: 86/100 - Ausgezeichnet (Marcel: 85 | Sascha: 87)
Preis-Leistung: 4/5 - Gut
Vorschaubild Quelle: Whiskybase
FAQ: Die häufigsten Fragen
❓ Ist der Ledaig 17 Jahre für Whisky-Einsteiger geeignet?
👉 Definitiv nicht. Dieser Whisky ist extrem polarisierend und charakterstark. Die "dreckigen", erdigen Noten und der hohe Alkoholgehalt von 56,5% machen ihn zu einem Whisky für erfahrene Trinker, die bewusst nach außergewöhnlichen Aromen suchen.
❓ Warum riecht der Whisky so
👉 Die erdigen, kompostartigen Aromen sind typisch für die Ledaig-Abfüllungen der Tobermory Brennerei. Diese industriellen, "dreckigen" Noten entstehen durch die spezielle Destillationsmethode und sind Markenzeichen dieser Brennerei. Kombiniert mit der Sherry-Reifung und dem Schwefelton entsteht ein sehr spezieller Charakter.
❓ Sollte ich den Whisky mit Wasser verdünnen?
👉 Bei 56,5% ist eine leichte Verdünnung durchaus sinnvoll. Ein paar Tropfen Wasser können die Aromen öffnen und die Schärfe reduzieren. Experimentieren Sie vorsichtig – dieser Whisky ist auch pur ein Erlebnis, aber mit Wasser können sich neue Facetten zeigen.