Longmorn 40 Jahre 1975/2015 - Malts of Scotland

06.10.2025 🇩🇬 To the english Review
Als dieser Longmorn 1975 ins Fass kam, endete auch der Vietnamkrieg. Longmorn selbst ist so eine Brennerei, die lieber im Hintergrund arbeitet – die meisten ihrer Single Malts landen traditionell in Blends. Umso spannender, wenn so ein gereiftes Exemplar den Weg in die Flasche findet.
Longmorn 40 Jahre 1975/2015 - Malts of Scotland
Longmorn 40 Jahre 1975/2015 - Malts of Scotland
Single Malt | 40 Jahre | 46,70 % Vol. | 1.785,71 €/l | Brennerei: Longmorn | abgefüllt von Malts of Scotland | hergestellt in Schottland (Speyside)

Riechen

Beim ersten Schnuppern denken wir gleichzeitig: "Alter Holzschuppen bei Oma auf dem Land." Aber der schicke! Da liegt morsches, feuchtes Holz in der Luft, als hätte jemand eine antike Truhe geöffnet. Dahinter schleichen sich schwere rote Früchte an – denkt an überreife Pflaumen, die schon ein bisschen zu lange in der Obstschale lagen. Ein Hauch von Bienenwachs macht die Sache cremig, während leicht erdige Noten (Waldboden nach Regen?) für Bodenhaftung sorgen.
Dann wird's apothekig: Muskat taucht auf wie ein alter Bekannter, gefolgt von einem ganzen Apothekerschrank voller Tinkturen und Kräuter. Kreide! Ja, verdammt, Schulkreide. Und als wäre das nicht schon verwirrend genug, schwebt da auch noch Rosenwasser durch – elegant, aber zurückhaltend, wie eine vornehme Dame, die nicht zu viel Parfum aufträgt.
Diese Nase ist kompliziert. Sie fordert Aufmerksamkeit. Sie will, dass du dich hinsetzt und zuhörst. Wir nicken brav, verstehen aber nur die Hälfte.

Bleib auf dem Laufenden – abonniere unseren Newsletter!
Bleib auf dem Laufenden – abonniere unseren Newsletter!

Schmecken

Der erste Schluck macht "krisselig" – ihr wisst schon, dieses prickelnde, fast schon elektrisierte Gefühl auf der Zunge. Die Würzlast schlägt sofort zu: Das ist kein sanfter Beginn, das ist eine Geschmacksexplosion. Aber – und hier wird's interessant – trotz dieser Wucht bleibt alles unglaublich rund.
Frisch gerösteter Kaffee meldet sich zu Wort, gefolgt von leicht angebranntem Nusskuchen (ihr wisst schon, der Rand, den alle wollen). Weißer Pfirsich bringt eine fruchtige Frische, die wir so nicht erwartet hätten. Das Ganze ist extrem filigran und vielschichtig – als würde jemand ein Orchester dirigieren, bei dem jedes Instrument mal solo spielt.
Die würzige Eiche ist immer präsent, aber nie dominant. Es ist wie bei einem guten Dirigenten: Man merkt, dass er da ist, aber er drängt sich nicht in den Vordergrund. Nach 40 Jahren Fassreife wäre das auch ein echtes Kunststück gewesen, nicht holzlastig zu werden.

Abgang

"Zieeeeht sich lang wie Kaugummi", notieren wir. Und es stimmt. Dieser Abgang kennt kein Ende. Weiches Holz schmiegt sich an den Gaumen, viel Eiche (surprise!) macht sich breit, und Zimt mit Muskat verabschieden sich langsam, gaaanz langsam.
Man sitzt da, nippt, wartet, und der Whisky ist immer noch da. Wie dieser eine Partygast, der nicht kapiert, dass alle anderen schon längst im Bett sind. Nur dass wir uns hier nicht beschweren.

Gedanken

Dieser Longmorn 40 Jahre 1975/2015 von Malts of Scotland ist ein "gesetzter" Whisky. Ein Gentleman alter Schule. Schwer im Charakter, komplex im Geschmack, fordernd in der Aufmerksamkeit. Das ist nichts für den Netflix Abend.
Das ist was für: Licht dimmen, Musik aus, Notizbuch raus, konzentrieren. Der Geschmack ist so kompliziert, dass man stundenlang Aromen suchen könnte. Sollte man wahrscheinlich auch. Aber seien wir ehrlich: Dafür sind wir Menschen machmal zu stumpf. Nach einem langen Tag braucht man manchmal einen Whisky, der nicht so viel von einem will. Der hier? Der will ALLES von dir. Er ist anstrengend. Ist er großartig? Absolut. Ist er was für jeden Tag? Nein. Ist er was für besondere Momente, wenn man bereit ist, sich wirklich einzulassen? Hundertprozent.

Bewertung: 89/100 - Ausgezeichnet (Marcel: 90 | Sascha: 88)

Vorschaubild Quelle: Whiskybase

FAQ: Die häufigsten Fragen

❓ Wie unterscheidet sich ein 40-jähriger Whisky von jüngeren Abfüllungen?

👉 Ein 40-jähriger Whisky wie dieser Longmorn hat extreme Komplexität entwickelt, die jüngere Whiskys einfach nicht bieten können. Die Holznoten sind präsenter, die Aromen tiefer geschichtet, und es gibt eine "Gesetztheit" im Charakter. Allerdings: Älter ist nicht automatisch besser – manche bevorzugen die Frische und Direktheit jüngerer Malts. Bei 40 Jahren besteht immer das Risiko der Über-Eichung, was hier aber elegant vermieden wurde.

❓ Sollte ich diesen Whisky pur trinken oder ist Wasser erlaubt?

👉 Bei 46,7% Vol. ist dieser Longmorn trinkstark, aber nicht überfordernd. Manchmal öffnet Wasser zusätzliche Aromen, besonders bei komplexen alten Abfüllungen. Aber bitte: Tropfen, nicht Schwall! Und Eis? Kommt diesem Whisky nicht in die Nähe.

❓ Warum sind unabhängige Abfüllungen wie Malts of Scotland oft interessanter als offizielle Brennerei-Bottlings?

👉 Unabhängige Abfüller wie Malts of Scotland kaufen Einzelfässer oder kleine Chargen direkt von Brennereien und botteln sie ohne die "Corporate-Glättung". Das bedeutet: oft höhere Alkoholstärke, keine Kühlfiltration, keine Farbstoffe – und manchmal wildere, charaktervollere Profile. Gerade von Brennereien wie Longmorn, die ihre eigenen Single Malts selten releasen, sind solche Abfüllungen die einzige Chance, den puren Destillerie-Charakter zu erleben.

Kontakt
Über uns
Wie wir bewerten