St. Kilian Signature Edition Sixteen
Riechen
Schon beim ersten Annähern offenbart sich die vinöse Seele dieses Single Malts. Eine ausgeprägte Weinigkeit schwebt wie ein Schleier über dem Glas – nicht aufdringlich, sondern elegant integriert. Saftige Trauben dominieren die erste Impression, als hätte man soeben einen Weinberg betreten, in dem die Früchte ihre volle Reife erreicht haben. Darunter schmiegt sich eine leichte Pflaumennote, die an spätsommerliche Obstkörbe erinnert.
Dann zeigt sich die charakteristische Handschrift der St. Kilian Brennerei: Pfirsich und Birne tanzen im Duett, weich und einladend, wie man es von vielen ihrer Abfüllungen kennt. Diese Steinobst-Birnen-Kombination ist zum Wiedererkennungsmerkmal geworden – hier jedoch mit mediterranem Akzent versehen. Den Abschluss bildet eine verführerische Crème Brûlée-Note, die dem Ganzen eine cremige, karamellisierte Süße verleiht und die Erwartung auf den ersten Schluck ins Unermessliche steigert.

Schmecken
Die Würze übernimmt die Führung, ohne dabei zu dominieren. Es ist eine erwachsene, selbstbewusste Würzigkeit, die sofort zeigt: Hier spricht kein Anfänger-Whisky. Doch dann kommt die Überraschung: Himbeeren und Aprikosen brechen durch die Würzeschicht wie Sonnenstrahlen durch Wolken. Diese rote Fruchtsüße ist intensiv, saftig und perfekt balanciert. Die Likörweinfässer haben ihre Spuren hinterlassen – nicht als aufdringliche Überfrachtung, sondern als harmonische Integration. Das Mundgefühl ist bemerkenswert: vollmundig und ölig, dabei aber niemals schwer oder träge. Der Whisky legt sich wie ein seidener Mantel auf die Zunge und entfaltet Schicht für Schicht sein komplexes Aromenprofil.
Abgang
Das Finale beginnt mit einer leicht bitteren Eichenwürze, ein willkommener Kontrast zur vorangegangenen Süße, der Struktur und Tiefe verleiht. Erdbeermarmelade gesellt sich hinzu, leicht eingekocht, konzentriert in ihrer Süße. Diese Kombination aus herber Würze und beeriger Konfitüre schafft eine Spannung, die das Finish interessant macht.
Gedanken
Die Signature Edition Sixteen beweist eindrucksvoll, dass die St. Kilian Distillery ihre Hausaufgaben gemacht hat. Diese Abfüllung ist eine tolle Melange aus roter Fruchtsüße, mediterraner Eleganz und deutscher Brennkunst. Die portugiesischen Likörweinfässer wurden nicht als Gimmick eingesetzt, sondern als echte Geschmackspartner, die dem Destillat etwas zu sagen haben.
Bewertung: 82/100 - Ausgezeichnet (Marcel: 82 | Sascha: 82)
Preis-Leistung: 4/5 - Gut
Vorschaubild Quelle: St. Kilian
FAQ: Die häufigsten Fragen
❓ Warum Sixteen? Es ist doch gar kein 16 Jahre gereifter Whisky.
👉 Nein, die Zahl bezieht sich nicht aufs Alter. Es ist schlicht die sechzehnte Edition der Signature-Reihe. St. Kilian verzichtet bewusst auf Altersangaben, wenn die Fassreifung nicht im Vordergrund steht, sondern die Fass-Kombination. Bei dieser Edition ging es darum, das komplette Portfolio portugiesischer Likörweinfässer zu orchestrieren: ein Experiment, das Mut und Erfahrung verlangt. Das Alter? Vermutlich zwischen 4 und 6 Jahren, aber das ist bei dieser Komplexität ehrlich gesagt zweitrangig.
❓ Kann ich diesen Whisky zu portugiesischem Essen trinken, oder ist das zu meta?
👉 Bacalhau com Natas (Stockfisch-Auflauf) mit cremiger Béchamel trifft auf die Crème Brûlée-Noten der Nase. Oder Pastéis de Nata zum Dessert, deren Vanille-Eiercreme mit der Milchschokolade im Finish harmoniert. Die weinige Grundstruktur spielt wunderbar mit portugiesischen Weinen, die im Essen mitschwingen. Unser Tipp: Probieren Sie ihn zu Queijo da Serra (Schafskäse aus der Serra da Estrela) – die Salz-Fett-Kombination hebt die rote Fruchtigkeit spektakulär hervor.
❓ Mein Partner findet den Whisky zu stark – ist die Sixteen ein Einstieg oder ein Rauswurf aus der Beziehung?
👉 Bei 55,3% ist das definitiv kein Anfänger-Whisky für Likörchen-Trinker! Aber: Die fruchtige Süße macht ihn zugänglicher als viele andere Fassstärken. Unser Beziehungsretter-Tipp: Mixe einen "Portuguese Sunset": 2cl Signature Sixteen, 1cl Portwein, 4cl Tonic Water, Eiswürfel, Orangenzeste. So lernt man die Aromen kennen, ohne vom Alkohol erschlagen zu werden. Wenn das schmeckt, kann man sich langsam an den puren Genuss herantasten.